Gehirnvirus
26.05.2019
Im Moment bin ich im Ruhrgebiet, der alten Heimat, in der ich aufgewachsen bin. Die Tage saß ich mit meiner Schwester in der Küche bei Kaffee und sie wollte mir ein Lied vor spielen. „Da denke ich immer an Dich“, sagte sie und ich schaute sie wohl fragend an. Sie meinte es sei wegen des Gehirnvirus. Von dem wusste ich gar nicht, dass ich ihn habe, aber sie winkte ab. Nein, ich weise in meinem Job und zuweilen im Alltag oft auf den Gehirnvirus hin. Der Gehirnvirus, so sagt sie mir, ist ein Virus, der übertragen wird durch das Internet, die Medien, die Politik, durch infizierte Menschen. Und schlagartig weiß ich welches Virus sie meint und ich lache.

Einatmen – Duft genießen – ausatmen. Das tut mir gut.
„Ich muss atmen, ich muss schlafen, ich muss trinken, regelmäßig essen und ich muss auf’s Klo – alles andere, was ich in meinem Leben mache ist eine freie Entscheidung. Ich muss nichts, ich kann mich frei entscheiden!“ So oder ähnlich klingt es oft, wenn mir Klienten oder Bekannte erzählen wollen, was ich unbedingt muss bzw. was sie selbst müssen. „Den Film musst Du gesehen haben!“, „Du musst Dich damit mal befassen!“, „Du musst mehr raus gehen!“, „Du musst mich verstehen!“, „Du musst Dir das anhören!“, „Du musst das unbedingt probieren!“, „Du musst Dich befassen!“. Was im Umgang mit meinen Mitmenschen noch kritisch hinterfragt werden kann, wird in den Medien – vor allem im Internet – zu einer aufdringlichen ‚Verantwortlichkeit‘. Wer sich nicht mit seiner Meinung einbringt, sich an bestimmten Events beteiligt, wer nicht präsent ist, wird abgestempelt. Das ist mir durchaus auch schon passiert. Es ist für mich nur nicht wichtig und komplett irrelevant. Wenn beispielsweise am Hexenstammtisch heftig und emotional über irgendwelche Leute debattiert wird, die sich ganz großartig für die Welt einsetzen und ich diese Personen nicht kenne, kommt ein: „Aber Du mußt doch wissen wer das ist!“ Meine Antwort lauten: „Nein, muss ich nicht!“ Ja, ich ernte erschütterte Gesichter und ich spüre: mir wird sogar zuweilen mangelndes politisches Bewußtsein attestiert. Wer mir soetwas unterstellt, kann mich nicht kennen. Und solche Energien kommentiere ich auch nicht mehr. Macht euch euer Bild. Es ist eure freie Entscheidung. Und ich kann damit leben, dass Menschen sich ihr eigenes Bild machen. Auch von mir. Nicht immer ist dies angenehm, aber mir ist es wichtiger als der Mensch, der ich bin angenommen zu werden und das andere Menschen bereit sind sich die Zeit zu nehmen mich kennen zu lernen. Im Gegenzug nehme ich mir diese Zeit auch.
Ich entscheide frei für mich. Die Welt, in der ich lebe, gestalte ich jeden Tag selbst neu. Das, was ich aussende, kommt zu mir zurück. Mir ist es wichtig, das, was ich tun ‚muss‘ achtsam und bewusst zu tun. Dafür bin ich bereit für mich persönlich zu entscheiden wo ich Verantwortungen übernehme, wo ich meine Energie hin sende und wer oder was meine Achtsamkeit verdient. Ihr selbst habt es in den letzten Monaten schon gemerkt: Es hat sich etwas tiefgreifend verändert. Auch hier im Blog. Meine Einträge mögen seltener sein, aber ich hoffe, dass sie dadurch keineswegs an Intensität einbüßen.

Unbeeindruckt vom Gehirnvirus: Schildkröte Klara. Ich habe entschieden eine Woche für sie die Verantwortung zu übernehmen. Von ihr zu lernen entspannt.
In diesem Sinne eine Empfehlung: Nutzt den heutigen Tag, um zur Europawahl zu gehen – wenn ihr nicht schon gewählt habt, so wie ich. Dies ist kein ‚Muss‘, keine ‚Pflicht‘, es ist euer Recht. Und zumindest ich halt dieses Recht für enorm wertvoll und nutzenswert! Dies ist meine persönliche Entscheidung. Vielleicht entscheidest Du anders. Dann sage ich: Auch dies ist Dein Recht!
Übrigens: Das Lied, bei dem meine Schwester stets an mich denkt ist von Grossstadtrevier „Ich muss gar nichts“. Ich kannte es tatsächlich noch nicht und mußte sehr schmunzeln. Du kannst es Dir anhören. Du kannst es auch sein lassen. Ganz wie Du willst.
In diesem Sinne:
Bleibt mir bitte dennoch gewogen! Es würde mich freuen.
Veröffentlicht am 26. Mai 2019 in Reisen und mit Druck, Gehirnvirus, Grossstadtrevier, Ich muss gar nichts, Politik, Ruhrgebiet, Schildkröte, Wahl getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 4 Kommentare.
Darüber gibt’S nen Song:
Ich wünsche dir eine schöne kommende Woche und ein entspanntes Sein im Jetzt.
Super! Das Lied kannte ich tatsächlich auch noch nicht. Spiele ich die Tage auch mal meiner Schwester vor.
Richtig so!!!
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