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Der Mann, der keine Geschlechter kennt
17.05.2018
Vorbemerkung: Die folgende Geschichte hat sich so und zwar GENAU SO abgespielt. Ich war zwar persönlich nicht mit dabei, aber Loki war dabei. Und er hat sie mit meinen Fingern geschrieben und mir bestätigt, dass es so war und nicht anders! Ganz sicher! Ungelogen!
Dieses verlängerte Wochenende sollte ein ganz besonderes für Familie E. aus der Stadt werden. Vater E. hatte sich extra einen Brückentag von seiner harten Arbeit als Manager eines großen Unternehmens genommen. ‚Christi Himmelfahrt‘ machte es möglich. Mutter E. hatte ihn dazu überredet. Die gemeinsame Tochter wünschte sich ein Wochenende in der Natur mit ihren Eltern. Eine Wanderung sollte es werden, sie sollte durch den schönen Harz führen und man wollte es schlicht halten. Übernachtet werden sollte in Jugendherbergen. Ausnahmsweise. Der Tochter zu Liebe. Gemeinsam als Familie wollte man abtauchen in die Natur. Mal ganz entspannt wandern, spazieren, schlicht übernachten und sich der Natur öffnen. Frau E. hatte sich dafür extra neue Schuhe gekauft. Herr E. hatte sich komplett neu eingekleidet für dieses echte Outdoor-Abenteuer. Am Tag vor dem großen Ereignis gönnte er sich noch eine schöne Vatertagstour um Kraft für die familiäre Pflichtveranstaltung zu tanken. Und so wanderte die kleine Familie am Freitag motiviert los…

Merkwürdige, verstörende Zeichen zierten die Toilettentüren.
An jenem Freitag, es war kein dreizehnter, sondern ein elfter, war das Wetter angenehm. Obgleich sich immer mal wieder Wolken vor die Sonne schoben, blieb es weitestgehend trocken und die Temperatur war für das Wandern im Wald optimal. Die frische, klare Waldluft war voller Sauerstoff und duftete nach allerlei Gehölz. Für die Städter war die Wanderung schon ein besonderes Erlebnis, aber auch ein bisschen ungewohnt, und sie waren zugegebenermaßen froh, als sie ihre zukünftige Jugendherberge – in der sie ein Zimmer reserviert hatte – nach Stunden des Gehens endlich vor sich sahen. Da war es, das Haus, ein Naturfreundehaus. Erstaunt stellten sie fest, dass vor dem Haus unzählige Fahrzeuge parkten. Automobile mit Kennzeichen aus dem ganzen Bundesgebiet waren da und dann hörten sie auch schon seltsame, tiefe, vibrierende Laute die aus dem Erdgeschoss des Gebäudes drangen. Beim näher kommen bemerkten sie, dass es wohl Trommeln waren, die rhythmisch geschlagen wurden. Trommeln. Im Harz. Wie merkwürdig. Vorsichtig näherten sie sich dem Haus. Da tanzte eine Frau an ihnen vorbei, in einem bunten, irgendwie seltsam anmutenden Gewand, welches hinter ihr her wehte und sie summte und sang vor sich hin. Gesang! Einfach so! Ob sie eine Angestellte des Hauses war? Oder etwa eine Musikerin? Oder gar eine, die Lieder aus der Luft einfängt? Hatte sie etwa ein Schmetterlingsnetz dabei? Doch sie war schon vorbei und die Familie konnte sich nicht erinnern, ob sie ein Netz hatte. Es wäre auch irgendwie seltsam gewesen. Aber wo kam nur diese absurde Idee her, dass die Frau Lieder mit einem Netz fängt???
Wie dem auch sei, es war äußerst suspekt. Vorsichtig betraten sie das Haus. Rhythmischen Trommeln erfüllte die Luft. Aus den oberen Stockwerken hörten sie Gelächter. Was ist hier nur los?
„Guck mal da“, irritiert zeigte die Tochter, ein Teenager, auf die Tür zum WC, da ist ein komisches Schild angebracht, „was soll das denn heißen?“

Kennen Sie diesen Mann? Er gilt als gefährlich lustig und erschreckt im Harz wandernde Muggel durch suspekte WC-Schilder und Sexlosigkeit! Ausserdem steht er unter dringendem Verdacht mit Loki im Bunde zu sein!
Doch ehe Familie E. sich darüber klar werden konnte polterten Schritte die Treppe hinunter. Ein zunächst sehr freundlich wirkender Mann kam auf sie zu.
„Hallo“, begrüßte er sie erfreut, „Sie sind bestimmt die Mugg… äh… Familie, die hier für heute Nacht ein Zimmer reserviert hat, oder?“ Er strahlt wie ein Honigkuchenpferd.
„Ähm. Ja“, Familie E. war leicht verunsichert, weitere Personen kamen die Treppe hinunter. Lachend, singend, summend. Manche hatten Blumen im Haar, andere bemalte Gesichter (!!!) und wieder andere hatten Nasenpiercings. Nasenpiercings! Im Harz! Man stelle sich das mal vor!
Die meisten Leute gingen vorbei, nur eine im ersten Moment harmlos wirkende Frau blieb neben dem Mann stehen und lächelte. Sie war, so findet die Familie, irgendwie komisch gekleidet, so gar nicht in Jeans und T-Shirt, sondern mehr… naja, hippiemäßig irgendwie. Oder waren das Yogasachen? Obgleich, das passt auch nicht so ganz. Irgendetwas an ihr war komisch, war anders. Nur was?
„Was sind denn das für Schilder?“ fragte Frau E., ihre Stimme klang schriller als gewollt, und sie zupfte unwillkürlich nervös an einem ihrer Perlenohrringe. Herr E. klammerte sich an seinen Rucksack.
„Ach, die Kloschilder“, der Mann machte eine wegwerfende Handbewegung, „keine Sorge. Wir haben nur die sanitären Anlagen für alle Geschlechter geöffnet.“
Irritiert sahen die Wanderer den Mann an, er war bei genauerem Hinsehen jetzt irgendwie doch sehr seltsam. Diese scheinbar freundliche Stimme, dieses lächelnde Gesicht. Da stimmte doch was nicht! Hatten sie sich verhört?
„Was soll das bedeuten?“ fragte Frau E. unsicher, „das heißt doch nicht etwa, dass Männer auf das Frauenklo gehen, oder?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ein Gefühl des Entsetzens in ihr aufsteigt. Männer sind doch gar nicht in der Lage ein Klo vernünftig zu benutzen! Ständig pinkeln sie daneben und machen alles dreckig. Zuhause muß sie dann immer alles weg wischen. Männer sind ja generell nicht in der Lage zu Putzen. Aber wie war das hier, unter diesen seltsamen Leuten… sie scheinen ja das ganze Haus besetzt zu haben! Was sind das nur für Gestalten? Putzen die Frauen ständig den Männern hinterher? Irgendwie wirkten die Leute hier so… unbeteiligt an den wirklichen Problemen der Welt. Sie sahen komisch aus, verhielten sich komisch und wirkten wie aus einer anderen Welt.
Der fremde Mann spürte natürlich die Unruhe der Neuankömmlinge und machte eine beschwichtigende Geste, „keine Sorge, die WCs und Duschräume sind ja bei Bedarf abschließbar. Und sehen Sie“, er lächelte beschwichtigend, „wir sind in unserer Gemeinschaft offen für alle Geschlechter. Manchmal gibt es ja Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht ihres Körpers identifizieren können, und wir sind da eben total barrierefrei. Jeder kann jedes Klo benutzen ohne sich immer fragen zu müssen ‚welches Klo darf ich denn benutzen?'“, und da er bemerkte wie unruhig, ja erschrocken die Neuankömmlinge auf seine Ausführungen reagierten, fügte er rasch erklärend hinzu: „Das hat natürlich alles nichts mit Sex zu tun!“
„Ähm ja, wir wollten eh noch essen gehen“, sagte Herr E. und versuchte gelassen zu klingen. In Wahrheit stieg nackte Panik in ihm auf.
„Prima, Sie können Ihr Gepäck schon hier lassen, es gibt einen Aufbewahrungsraum“, sagte der freundliche Mann und möchte ihnen den Weg weisen. Doch Familie E. dankte freundlich und erklärte, dass man dann am Abend wieder zum Einchecken komme . Fluchtartig verließ die Familie das Haus des Schreckens.

Unvorstellbar! Ein Klo für alle! Frauen, Männer, Kinder und selbst Loki kann es benutzen!
Stellen wir uns vor, dass zu diesem Zeitpunkt Curtis die Treppe runter kommt. Sie sieht ihre beiden Hexenfreunde im Flur stehen. Ihr Kumpel von den Holunderschwänen guckt verdutzt, die Kollegin aus Hamburg, die gar nicht in Hamburg wohnt, grinst.
„Was ist los?“ fragt Curtis erstaunt.
Die Hexe kichert, lacht dann, es kommt tief aus ihrem Inneren, „gerade waren die Muggel da, die heute Nacht hier übernachten wollen. Mr. T. hat ihnen aber achtsam und zugewandt erklärt, dass wir eine Transgender-Gruppe sind, zusammen duschen, aber keinen Sex haben.“
„Stimmt ja gar nicht“, entfährt es dem Mann, der keine Geschlechter kennt, „ich wollte nur unsere Kloschilder erklären.“
„Aha“, eine Augenbraue wird in die Höhe gezogen, „sehr aufmerksam von Dir. Und wieso hast Du nicht einfach gesagt dass wir Hexen sind? Ich meine die erwartet man doch im Harz“, möchte Curtis erstaunt wissen, „und die hätten doch schön unsere Winkelgasse leer kaufen können.“
„Ich wollte die Muggel doch nicht verschrecken!“ erklärt unser Mann im Brustton der Überzeugung.
Familie E. kehrte nie wieder zurück in das Naturfreundehaus. Sie konnten kaum glauben, was sie erlebt hatten. Sie waren im falschen Film gewesen. Diese seltsamen Leute dort mussten einen Knall haben, vermutlich waren sie psychisch schwer gestört und vielleicht sogar gefährlich. Und so flohen die Muggel in ein **** Hotel mit einem eigenen Bad und einem Aussenklo in der Lobby des Hotels für Herrn E. Hier wurden sie bekocht und versorgt. Trommeln gab es nicht, auch keine bunten Gewänder. Das Hotel hatte sogar eine Sauna – nach Geschlechtern getrennt. Denn eines ist klar: Wenn es um Geschlechter geht, hat alles mit Sex zu tun 😉